Warum der Standort am Marschweg keine Zukunft hat

An das „altehrwürdige“ Marschwegstadion sind wir Oldenburger recht gewohnt. Es war ja (gefühlt) schon immer da. Und so ist uns vielleicht gar nicht bewusst, warum es auf einmal nicht mehr ausreichend sein soll. Nachfolgend wollen wir darum den Standort und seine Grenzen und Nachteile genauer betrachten.

Das Marschwegstadion, eröffnet 1951, ist ein typisches Stadion aus dieser Epoche. Ein weites Rund aus (vorrangig) Erdwällen mit Laufbahn und Spielfeld. Die größte „neuere“ Veränderungen des Stadions war der Neubau der Haupttribüne im Jahr 1996. In den knapp 30 Jahren seitdem haben sich aber die Bauweisen der Stadien und damit die Ansprüche von ZuschauerInnen, Teams und Medien stark weiter entwickelt.

Stadionerlebnis und Komfort

Heutzutage wird höherklassiger Rasensport fast überwiegend in reinen Fußball-Stadien ohne Laufbahn durchgeführt. Die ZuschauerInnen sind nah am Geschehen, haben eine gute Sicht auf das Spiel und erleben durch die Enge des Stadions eine spannende Atmosphäre. Dazu sind alle BesucherInnen in der Regel durch eine Vollüberdachung vor den Einflüssen von Wind und Wetter geschützt.

Das Marschwegstadion ist das exakte Gegenteil dieses Erlebnisses. Durch seine Weitläufigkeit sind die ZuschauerInnen relativ weit weg vom Spielfeld und haben einen ungünstig flachen Blickwinkel. Eine „Stadionatmosphäre“ verpufft im weiten Rund und kommt erst richtig auf, wenn das Stadion mindestens zu 3/4 gefüllt ist.

Bei schlechtem Wetter werden die ZuschauerInnen nass. Bei leichtem Wind selbst auf der überdachten Haupttribüne. Und wenn es in Oldenburg kalt ist, dann fühlt es sich im Marschwegstadion noch kälter an:

„Jeder, der mal im November, Dezember im Marschwegstadion gesessen oder gestanden hat, der weiß, dass es da nochmal gefühlt 10 Grad kälter ist, als an jedem anderen Ort der Stadt. Da muss man schon hart im Nehmen sein um sich das anzugucken. „

Redakteur Lars Blancke im NZW-Podcast

Es gibt zu wenig Einrichtungen und Stellplätze für das Catering und seine logistischen Abläufe, so dass die hohen Wartezeiten beim Catering immer wieder Teil von intensiven Diskussionen sind – selbst bei geringen Zuschauerzahlen. Die Sanitärsituation ist untragbar. Während bereits die festen WC-Einrichtungen unter der Haupttribüne nicht ausreichend sind, haben die gesamte Gegengerade und der Gästebereich nur unbeleuchtete Dixi-Toiletten ohne Waschbecken.

In modernen Stadien gibt es für besonders anspruchsvolle Gäste (auch bekannt als „VIPs“) umfassende Hospitality-Bereiche und bequeme Sitze mit guter Sicht auf das Spielfeld. Zum Teil gibt es sogar eigens anmietbare Logen. Am Marschweg gibt es bis auf etwas bequemere Sessel in der Mitte der Haupttribüne (auf denen man bei Wind und Regen genau so nass wird, wie alle anderen ZuschauerInnen) und ein Catering-Zelt keine besonderen Einrichtungen. Mit so einem limitierten Angebot lassen sich nur sehr begrenzt Mehreinnahmen generieren, die für den Kader oder zur Querfinanzierung von günstigeren Normal- oder Sozialtickets genutzt werden könnten.

Auch für Menschen mit körperlichen Einschränkungen bietet das Marschwegstadion kaum adäquate Einrichtungen, die man aus zeitgemäßen Stadien gewohnt ist. Kein Platz auf den Tribünen ist ohne Stufen erreichbar (den Oberlauf der Gegengeraden ist zwar über zwei Rampen erschlossen, aber hier hat man im Sitzen nur Sicht, wenn es sehr leer im Stadion ist) . Es existiert eine, auf Initiative von Fans und Sponsoren errichtete, kleine Zusatztribüne für 12 RollstuhlfahrerInnen, die aber kaum durch das Tribünendach geschützt ist.

Alterung

Vieles am Marschweg ist in die Jahre gekommen. Besonders die Erdwall-Tribünen der Gegengeraden und Südkurve sind bereits stark marode.

Und selbst wenn die „neue“ Haupttribüne aus der Ferne betrachtet noch ganz gut in Schuss wirkt, wird bei näherem Hinsehen auch hier die Alterung offenbar.

Viele Einrichtungen sind abgenutzt und wenig einladend, wie nicht nur wir Oldenburger sondern auch die vielen Auswärtsfans als Gäste unserer Stadt immer wieder feststellen müssen:

Ein weiteres Risiko neben der maroden Bausubstanz ist der Untergrund: Das Marschwegstadion steht auf einer alten Mülldeponie, was die Gefahr von Absackungen birgt. Zudem müssen aufgrund von möglichen Gefahrstoffen und Ausgasungen bauliche Maßnahmen im Boden des Stadions ausgiebig abgesichert werden und sind damit teurer.

Sicherheit

Laut der Oldenburger Polizei ist das Marschwegstadion eine große Herausforderung in Sachen Sicherheit. Durch die beengte und unübersichtliche Lage in einem Wohngebiet und ohne einen reservierten Stadion-Umlauf ist eine Überwachung, Kanalisierung und ggf. Trennung der Fan-Ströme sehr schwierig. Der gesamte Bereich unter der Autobahn lässt sich nicht aus der Luft überwachen. Mit dem Zug anreisende Auswärtsfans müssen zudem unter hohem Personalaufwand quer durch die Stadt begleitet werden.

Das Fehlen eines Umlaufs führt auch dazu, dass für Rettungsdienste nur wenige Zuwege zu den Tribünen zur Verfügung stehen. Ein rechtzeitiges Erreichen von Notfällen ist damit erschwert.

Aufgrund der baulichen Situation in direkter Nachbarschaft zu Autobahn und OLantis lässt sich ein, in modernen Stadien üblicher, Umlauf auch nicht nachträglich hinzufügen.

Verkehr & Parken

Die verkehrliche Situation ist für die Anreise großer Menschenmengen denkbar ungeeignet. Es gibt im Umfeld viel zu wenig Parkplätze, die auch noch mit Anwohnern und den Besuchern des OLantis geteilt werden müssen. Reisen größere Mengen an Auswärtsfans an, werden die Stellplätze unter der Autobahn vollständig für diese reserviert und fallen somit für Heimfans und OLantis komplett weg. Darüber hinaus gibt es auch für Fahrräder zu wenig Stellplätze. Selbst Oberbürgermeister Krogmann gab an, sein Fahrrad regelmäßig in einem Rhododendron-Busch abstellen zu müssen.

Ab 4-5.000 Zuschauern wird die Verkehrssituation noch künstlich gehandicapped: In diesem Fall werden aus Sicherheitsgründen der Marschweg und die Autobahnabfahrt gesperrt. Eine direkte Anfahrt mit Auto oder Bus ist dann nicht mehr möglich, was besonders für ältere oder körperlich eingeschränkte ZuschauerInnen ein Problem ist. Der Autoverkehr von Außerhalb muss sich andere Wege durch die Stadt suchen.

Belastung des Umfelds

Das Marschwegstadion liegt mitten in einem Wohngebiet. Aufgrund der rundum offenen Bauart des Stadions wird der dort entstehende Lärm nicht eingefangen sondern entweicht ungehindert ins Umfeld.

In 400m Umkreis um den Anstoßpunkt befinden sich am Marschweg ca. 220 Wohngebäude. Zum Vergleich sind es in Donnerschwee nur 30.

Die sehr begrenzten Parkplätze sorgen zudem durch den Anreise- und Parksuchverkehr für eine starke Belastung des Umfelds.

Rechtliche Grenzen

Mit dem Neubau der Haupttribüne wurde zum Schutz der AnwohnerInnen vor übermäßigem Lärm eine Einschränkung der Spielzeiten (und zum Teil auch der ZuschauerInnen-Zahlen) baurechtlich festgeschrieben. So darf unter anderem nach 18:30 Uhr kein Anpfiff erfolgen, was nicht mit den gängigen Anstoßzeiten von Abendspielen der beiden Bundesligen und der 3. Liga zusammen passt.

Aufgrund neuerer Regelungen für Veranstaltungsorte bezüglich Lärmschutz, Sicherheit und Parkplätze dürfte man das Marschwegstadion nicht erneut in der heutigen Form an diesem Standort bauen. Aktuell hängt die Existenz des Stadions allein am Bestandsschutz. Sollten dort einmal größere Veränderungen vorgenommen werden müssen, wie zum Beispiel der Ersatz der maroden Gegengeraden, könnte mit neuem Baurecht dieser Bestandsschutz verloren gehen. Die Folge wäre eine deutliche Reduzierung der Kapazität auf eine dem Umfeld angemessene Größe. Oldenburg liefe in das Risiko, die einzige feste Veranstaltungsstätte für Outdoor-Großveranstaltungen zu verlieren.

Anforderungen des Profifußballs

Wie im vorangegangenen Punkt erwähnt, sind am Marschweg keine Spiele nach 18:30 Uhr möglich. Fernsehsender zahlen hohe Summen für die Übertragungsrechte im Profi-Fußball und fordern darum auch Anstoßzeiten in der lukrativen „Prime-Time“ von 19-21 Uhr. In seiner Saison in der 3. Liga musste der VfB deswegen zweimal für Abendspiele in das Stadion von Hannover 96 ausweichen. Eine Ausnahmeregelung, die nicht nur für den Verein sehr teuer ist, sondern auch nicht dauerhaft vom DFB gewährt wird.

Mittlerweile wird zwar am Marschweg ein Flutlicht errichtet, ob dieses angesichts der nahen Autobahn überhaupt in voller Dunkelheit in Betrieb genommen werden darf, ist nicht abschließend geklärt.

Zur Vermeidung von witterungsbedingten Spielabsagen sind zudem in den oberen drei Ligen Rasenheizungen Pflicht. Diese ist im Marschwegstadion nicht vorhanden und auch nicht eingeplant.

Darüber hinaus gibt es zahlreiche weiter Anforderungen, die am Marschwegstadion nur sehr unzureichend erfüllt werden können, seien es die Sicherheitstechnik, Räume für Schiedsrichter, Dopingkontrollen und Polizei, Medienarbeitsplätze oder Aufstellflächen für die TV-Compound.

Improvisierte Kameraposition

Fazit

Aufgrund der oben beschriebenen Hürden ist eine Entwicklung des Marschwegstadions zu einem zeitgemäßen, komfortablen und sicheren Stadion nicht oder nur unter starker Verkleinerung möglich. Das Marschwegstadion sollte, solang es nicht gänzlich abgängig ist, als Standort für Leichtathletik, Schul- und Breitensport sowie städtische Sportfeste erhalten bleiben. Größere Investitionen sollten aber der besseren Zukunftssicherheit an einem neuen Standort erfolgen.